Ultra Trail auf Java 45 km / 3.250 Hm

Seit zwei Wochen sind wir auf Java, Indonesien – genauer gesagt in den Bergen Zentraljavas, nahe Yogyakarta, direkt am Fuße des 3.152 Meter hohen Gunung Sindoro, einem aktiven Stratovulkan mit klassisch steil aufragender Kegelform, geformt aus Lava und Lockermaterial.

Hier fand am Samstag das Dieng Caldera Trailrennen statt. Neben dem Bonn-Triathlon, bei dem ich vor zwei Wochen startete, blieb wenig Zeit zur gezielten Vorbereitung. Ich war für den 45-km-Lauf mit satten 3.045 Höhenmetern gemeldet– auf und ab, inklusive Aufstieg auf den Gunung Sindoro.

Dafür hatte ich mir vor ein paar Wochen noch schnell die neuesten ultraleichten Leki-Trail-Stöcke (130 g!) besorgt – unverzichtbar bei solchen Anstiegen. Dumm nur: Ein Carbonstock gab direkt den Geist auf, also musste ich noch am Vorabend mit Klebeband improvisieren.

Die Pflichtausrüstung für den Lauf war streng geregelt – Regenjacke mit verschweißten Nähten, Stirnlampe, Erste-Hilfe-Set, Handschuhe usw. Gear-Checks während des Rennens drohten mit 30-Minuten-Zeitstrafen bei Fehlen von Ausrüstung bis hin zur Disqualifikation.

Mein Verpflegungs-Plan: 600 g Kohlenhydrate für geschätzte acht Stunden Laufzeit, verteilt auf Gels und Pulver stand und die Firma Sponser Food, mein langjähriger Sportnahrungssponsor schickte mir die Tage vorher noch eine große Dose Kohlenhydrate. Nach meiner Erfahrung beim Ultra-Trail in Australien 2019 (dort gab’s auf 67 km lediglich Wasser) wollte ich auf Nummer sicher gehen.

Bei der Startnummernausgabe am Tag vor dem Rennen waren wir als „Langnasen“ bereits in der Aufmerksamkeit der Einheimischen. Die Wettkampfbesprechung war auf Indonesisch – ebenso wie der medizinische Check. Ich habe einfach auf der rechten Seite alle Kästchen angekreuzt – hat offenbar gepasst.

Um 3 Uhr morgens ging es nach eine Nacht ohne Schlaf los zum Start. Unser Hotel wurde gleichzeitig für eine Hochzeit umgebaut, Lärm die ganze Nacht – also null Schlaf.

Die Stimmung am Start war großartig. Internationale Läufer:innen aus Frankreich, Belarus und ich als Deutscher mittendrin. Ich hatte leider den Sonnenaufgang zu optimistisch eingeschätzt – Stirnlampe im Rucksack. Natürlich starteten fast alle mit Licht – ich nicht. Nach ein paar Metern musste ich anhalten und die Lampe hervorkramen, die Trails waren von Beginn an zu technisch, um im Dunkeln zu rennen. Dann ging’s mit Licht auf den Trail und ich konnte endlich sehen wohin ich trat.

Gleich zu Beginn wartete ein echtes Brett. Nach etwa 40 Minuten im Rennen kam der berüchtigte Aufstieg zum Gunung Sindoro: 5,1 Kilometer hoch zum Gipfel mit über 1.600 Höhenmetern – das entspricht im Schnitt über 34% Steigung, mit Spitzen bis zu 67 %. Technisch, schlammig, rutschig – jeder Schritt forderte Konzentration. Der Trail schlängelte sich durch dichten Dschungel, vorbei an Bananenstauden und riesigen Bambusbäumen, über lehmige, ausgewaschene Pfade, auf denen man gefühlt einen Schritt vor und zwei zurück machte. Teilweise waren die Hänge so steil, dass nur mithilfe von Trail-Stöcken und extra verankerten Seilen ein Weiterkommen möglich war.

Ich bin schon viele Ultratrail gerannt, Transalp-Run, K42 in Argentinien, UTCT – dieser Koloss reihte sich definitiv in den Club der harten Strecken ein. Überholen? Nur da möglich, wo man überhaupt winken Festen Stand hatte und das war nicht oft.

Nach rund 2:45 Stunden war ich endlich oben auf dem noch aktiven Vulkan. Erst mal ein Foto – solche Gipfel nimmt man selten mit. Rennen hin oder her – dieser Moment war besonders.

Der Downhill? Eher eine kontrollierte Rutschpartie: 1.400 Höhenmeter auf 3 Kilometer. Nach knapp 4 Stunden wieder vom Berg runter, kam der erste Verpflegungspunkt – mit Wasser, Kartoffeln, Eiern und Obst. Gut, dass ich meine eigenen Gels hatte.

Kurze Zeit später der erste Rückschlag: ich bin irgendwo falsch abgebogen, keine Markierung, keine Läufer:innen. Also 2 Kilometer zurück, 200 Höhenmeter extra – autsch! Die Strecke war wirklich schwer zu erkennen, sie führte mal durch Reisterrassen, dann durch Teefelder, Karottenhänge und andere Gemüseparzellen. Ich bin gefühlt über 100 Karotten gestolpert, aber meine Trailweste hatte leider kein Gemüsefach, um davon etwas mitzunehmen.

Nach 5 Stunden standen gerade mal 19 km und 2.000 Höhenmeter auf meiner Uhr. Ich hatte mir das leichter vorgestellt. Ich war platt vom feuchten Klima und der Hitze, dachte an Aussteigen und musste eine Pause einlegen, in der ich mich selbst überzeugt und überredet hatte, die letzten 26 km zu rennen. Der Stop hat mich gut zwanzig Minuten gekostet, aber ich hab mich erfolgreich motiviert. Die Tatsache, dass ich viel weniger Zeit kalkuliert hatte und die Bedingungen so hart waren, musste ich mir selbst gegenüber erstmal schön reden.

Doch Rückblick: egal ob China, Singapur, Malaysia oder Thailand – alle Trailrennen und Triathlon in Asien hatten es einfach in sich und waren immer viel anspruchsvoller, als gewohnt. Also auf und weiter!

Ernährung lief gut – trotz Magenverstimmung, vielleicht ein bisschen zu viel Streetfood. Keine Ausrede.

Weiter ging’s. Der „kleine“ Anstieg mit 600 Hm neben dem Sindoro sah auf der Karte harmlos aus – war er aber nicht. Wieder dichter Dschungel, glitschiger Lehmboden und oben eine Nebelsuppe. Zum Glück hatte ich meine Stöcke. Rauf war ich schnell, runter wurde ich wieder überholt – so ging das Spiel stundenlang. Dann endlich: 3.000 Höhenmeter voll, es sollte langsam alles an Anstiegen gewesen sein. Ach ne, die Verlaufaktion kam ja noch dazu.

Jetzt lief’s durch abgelegene Dörfer, durch Plantagen mit allem Ess- und Trinkbaren. Mein Magenproblem hatte sich übrigens elegant gelöst – mitten in einem hohen Teefeld. Diskret und effektiv.

Dann ein Highlight: vorbei am Schulhof voller Kinder, alle wollten abklatschen, schrien und feuerten uns an. Und ich habe alle Hände abgeklatscht. Ich glaube, kaum jemand hier konnte verstehen, warum wir Läufer uns das antun – aber der Enthusiasmus war riesig. Touristen verirren sich selten hierher.

Auf den schmalen Pfaden kam es regelmäßig zu Begegnungen mit Mopeds – vollbeladen mit Frühlingszwiebeln oder Karotten auf 40 %-Steigungen. Keine Ahnung, wie die das schaffen – bergauf mit diesen Lasten.

Ab 1.800 Meter wurde es wieder rutschig. Gefühlt gab’s hier keine normale Steigung – alles steil oder steiler. In den letzten Kilometern: kaum noch Markierungen. Ständig Streckencheck mit der Garmin-App und meiner Teilzeitbegleitung. Irgendeine Baustelle haben wir noch überklettert, die lag auf der Strecke.

Und kurz vor Schluss hatte der Veranstalter noch ein paar knackige 40 % Anstiege für und eingebaut – als ob’s nicht gereicht hätte. Dass ich zwei Stunden länger lief, als energetisch geplant, machte sich jetzt bemerkbar.

Nach 10:12:21 Stunden: Zieleinlauf. Wieder am Startpunkt – nur mit zerstörten Beinen und randvollem Herzen. Ich musste mir ein paar Freudentränen verkneifen. Etwas anders als erhofft mit Platz 30 gesamt, aber ohne langen Lauf im Vorfeld, wäre alles andere eine Überraschung gewesen.

Die massive 500-Gramm-Medaille war mein Lohn. Hunger und Durst hatte ich nicht, auch wenn ich etwa 2x mal meinen kompletten Tagesumsatz an Kalorien verbraucht hatte.

Dann fing es pünktlich an zu schütten, like hell – „on time“. Derweil hatte ich bereits eine Banane und Kokoswasser zur Verpflegung und indonesische Frauenhände an meinen Beinen, massage.

Der Lauf war ein permanenter Kraftakt im vertikalen Gelände – was für ein Ritt!

Klimabedingungen Hawaii ähnlich.

Jetzt geht es noch über Bali (mit ein paar Sessions in unserem aus 2019 Bekannten Yoga-Studio „The Practice“, sicherlich noch ein paar Gunung Trailläufe und danach auf die dritt größte Insel der Welt, nochmal Borneo, diesmal in den malaysischen Teil nach Kota Kinabalu zum Mount Kinabalu (4.095 m) mal sehen, ob es dort noch ein Trailrennen gibt!

2 Gedanken zu “Ultra Trail auf Java 45 km / 3.250 Hm

  1. Avatar von K.Schneider K.Schneider

    Großartig René, das war spannend zu lesen. Paßt auf Dich auf und viel Spaß. Quäl Dich Du Spaßvogel und, …

    derKlaus (Geronimo) und Aiko.(Samojede)

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