UTCT 35k Trailrun in Cape Town – AK Sieg

Zum dritten Mal in Folge leben wir für 3 Monate in Südafrika, Kapstadt Region. Arbeit und Sport lassen sich hier sehr gut kombinieren, wobei es deutlich mehr Arbeit ist und der Urlaub zwischendrin gut geplant sein muss, damit das nicht untergeht. Oft bekomme ich die Frage, ob ich hier Urlaub mache. Auch in anderen Ländern wird hart gearbeitet, kann ich dann nur entgegnen.

Nachdem ich letztes Jahr den 55 Km Ultra Trail Lauf hier gemacht hatte, habe ich mich diesmal für die kürzere und vermeintlich einfacherer 35 km Strecke entschieden. Pustekuchen, denn mit 2.000 Höhenmetern hatte der Kurs im Verhältnis mehr Climbing, aber was ich gar nicht auf dem Schirm hatte, viel technischer und damit schwieriger zu rennen.

Die Wochen zuvor hatte ich schon auf den Strecken hier trainiert. Leider hatte es mich eine Woche vor dem Rennen beim Trainingslauf mit einem Kollegen aus unserer Bonn Trainingsgruppe (Gruß an Daniel A.) zum Ende ordentlich zerlegt, im Gelände gestolpert und voll aufs Knie gedonnert. Neben einer Knieprellung musste auch genäht werden. Ich hatte als Ersthelfer mit Daniel den fähigsten Partner dabei und weiß jetzt nochmal mehr, wie wichtig ein Erste-Hilfe-Kit im Gelände ist, meins hatte ich nämlich vergessen.

Somit war in den ersten Tagen unklar, ob das Knie auch etwas abbekommen hat und ob ich starten konnte. Umso glücklicher war ich dann, überhaupt am Start stehen zu können. Trail running ist halt verbunden mit Stürzen und Aua und immer wieder kleineren Verletzungen, besonders im technisch anspruchsvollen Gelände, wie hier in Südafrika. Aber belohnt mit Wahnsinns Natur, Ausblicken und einsame Single Trails.

Vor zwei Monaten war ich noch auf Teneriffa und Gran Canaria trainieren und auch dort gab es den ein und anderen Sturz. Das Rennen auf den Kanaren Xtreme SanraCruz wurde leider auch noch kurzfristig aufgrund des großflächigen Waldbrands abgesagt. Alles kann eben passieren.

Die Startunterlagen hatte ich hier in Kapstadt einige Tage zuvor mit einer Radeinheit verbunden, abgeholt – hier gibt es auch eher wenig flache Strecken, so dass ich dann auch 1.300Hm auf 82 Km hatte. Gute letzte Einheit vor dem Lauf und alles auf die Karte „Knie schonen“ bis zum Race-day, gesetzt.

Am Wettkampfmorgen klingelte der Wecker um 3 Uhr früh und ab ging meine Morgen Routine und die Fahrt nach Kapstadt. Geile Morgenstimmung mit Blick auf den Tafelberg, Lions Head und Signal Hill, perfektes Wetter am Morgen mit 17 Grad und klarem Himmel.

Die Trail Läufer Community ist schon sehr unterschiedlich zu den Triathleten. Ich würde sagen, etwas entspannter, weil auch weniger Stress mit Rad, Schwimmen etc.

Ich habe es jedenfalls genossen und da man mich ins Elite-Feld platziert hatte, stand ich dann auch in der zweiten Reihe und hatte Gänsehaut pur. Die Trail Weste war regelkonform mit den „Must-have“ Dingen gefüllt, Regendichte Jacke mit verschweißten Nähten, langes Oberteil, Erste Hilfe Kit, Buff, Trinkbecher, bestimmte Menge an Flüssigkeit und Kohlenhydraten, Strecke auf dem Handy und Notfallnummer. Das alles will beim Rennen getragen werden, allerdings sind die Trail Westen auch wirklich sehr gut und sitzen eben wie eine Weste, eng am Körper.

..3..2..1.. Race Start und ab ging’s zuerst aus dem Rugby Club Stadion raus auf die Straße, Linkskurve und zack, heftig steiler Anstieg Richtung Tafelberg. Das waren auch die einzigen 800m Asphalt für die nächsten 35 Kilometer. Wer den Tafelberg nicht kennt, es gibt nur extrem steil und sehr steinige Pfade hoch, dessen Steine oder Brocken teilweise so groß sind, dass es eher an Klettern erinnert. Das Trail-Höhenmeter-Buffet stand bereit und die ersten 1.000 Höhenmeter gab es auf den ersten 7,5 Kilometer.

Für mich sehr vorteilhaft, denn Berg hoch kann ich gut und lange, habe oft überholen können, mit dem Wissen, dass auf dem nächsten bergab Stück einige an mir vorbei stürmen werden. So war es auch, Berg runter im Gelände kann ich nicht mithalten, also immer Vollgas Berg hoch.

Zum Glück kannte ich einen Großteil der Strecke, zum einen vom letzten Jahr und dann bin ich zwei Wochen zuvor 30km davon in knappen fünf Stunden abgelaufen. Streckenkenntnisse sind ein Riesenvorteil, Du weißt halt in etwa, wann die krassen Abschnitte kommen und auch zu Ende sind.

Ich habe selten irgendwo so abwechslungsreiche Trails erlebt, hier ist alles dabei, Felsen, Geröll, Wald mit Wurzeln, Sandpassagen, Steigungen mit sicherlich 25%, Wasser, Riesenfelsen zum Springen, etc.

Als ich beim zweiten langen Anstieg wieder die Konkurrenz einsammeln konnte, die mir zuvor meinen hart erkämpften Bergauf Vorsprung genommen hatten, habe ich mich noch super stark gefühlt, aber wir hatten auch fast schon alle Anstiegsmeter gemacht. Also auf dem nächsten bergab Stück schneller und angstfreier rennen, klappte auch …ist aber für meinen Kopf echt anstrengend, eben weil oft die Unsicherheit mitrennt.

Ich wollte unbedingt den Vorsprung halten. Nachdem das für mich härteste Gefälle mit 500 Hm auf knapp einem Kilometer bewältigt waren, fühlten sich meine Beine richtig zerstört an. An der Cape Town University gab es dann den für uns zweiten Verpflegungsstand und da ich grad allein war, wurde mein Name und Germany echt hart gefeiert! Wie geil war das bitte! Direkt kamen drei Helfer und zogen mir meine beiden Flask (flexible Trinkflaschen) aus der Weste und der dritte fing schon an, mir ordentlich Eiswürfel in den Rücken zu packen. Ich war etwa 4 Stunden im Rennen und schon richtig heiß gelaufen. Eiswürfel waren absolut willkommen und jetzt auch Cola!

Meine Gels und somit 275 Gramm Kohlenhydrate waren aufgebraucht und weitere Gels gabs leider nicht.

Was jetzt noch an Strecke kam, kannte ich von dem 55 Km Lauf vom letzten Jahr, nämlich etwa 500 Höhenmeter auf sandigem Terrain Bergauf andere Seite zum Tafelberg (Block House, wer es kennt). Das Stück hat mir letztes Jahr schon den Stecker gezogen, diesmal hatte ich noch Restfrische und die wollte ich nutzen. Also wieder paar Jungs überholt, Hände auf die Knie und Speedhiking und nicht zurück rutschen auf dem sandigen Boden. Oben angekommen, ging der Singeltrail dann unterhalb des Tafelberges mal hoch, mal runter und da sah ich den Südafrikaner, der mich zwei Stunden zuvor bergab überholte. Er strauchelte etwas und ich bot ihm Hilfe an. Dankend hat er dann die Hälfte meiner Flaschen ausgetrunken … super, ich wusste aber, dass ein paar Meter weiter Wasser vom Berg lief und da füllte ich kurz auf. „Sharing is caring“ – man hilft sich doch auch im Rennen… naja, wenn es nicht grad um den Sieg geht? Hat mich keine 30 Sekunden gekostet.

Der Kollege allerdings kam dann etwa zwanzig Minuten später auf dem letzten Geröll Abschnitt an mir vorbeigeflogen. „So what!“

Ich schaute auf die Uhr und hatte irgendwie groß angekündigt, dass ich’s auf jeden Fall unter fünf Stunden machen werde… war so ein Gefühl. Jedenfalls musste ich am Ende nochmal richtig Feuer geben, um dann in 4:59:38 Stunden ins Ziel zu kommen.

YES, ich habe mit mehr als einer halben Stunde meine Altersklasse gewonnen und Overall Platz 21 gemacht. Was soll ich sagen, hätte, hätte, würde ich besser bergab Trails rennen… aber ich war doch echt zufrieden.

Absolute Traumkulisse, Landschaft, Berge, Leute und Wetter.

55er = Check / 35er = Check / ? = offen

Es gibt noch den 100km und den 100 Miler (166km) – ab ich mir davon allerdings etwas gebe, ist offen.

Kleine negative Geschichten am Rand gab es auch, so wurden beim 100 Miler (166km) drei Athleten in den Bergen überfallen und ausgeraubt. Doch anstatt nach 100 Km aufzugeben, hatte die Läufer Community hier über WhatsApp direkt drei neue Ausrüstungen besorgt und die Jungs liefen weiter. Die Schere zwischen absoluter Armut und Reichtum ist hier sehr groß. Die Positivität der Menschen hier, lösungsorientiert direkt weiterzumachen, hat mich allerdings stark beeindruckt! Da gab es im Forum kaum negatives, sondern ausschließlich, wie geht’s nun weiter und schnell helfen! Absolut kein Meckern oder Jammern.

Trotzdem ist Südafrika seit 2010 für mich ein recht sicheres Land, ich bin hier nicht selten fünf Stunden oder länger komplett remote unterwegs oder Mehrtagesradtour zu zweit und hatte noch nie eine schlechte Situation. Passieren kann überall etwas und auf mein Bauchgefühl kann auch etwas.

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