20 Jahre Trainingsaufzeichnung in Excel

Daten, als Erfolgswährung ist keine Neue Erkenntnis, bieten jedoch ein enormes Potential!

20 Jahre Trainingsaufzeichnung in Excel klingen zunächst einmal verrückt. Wieso es dennoch Sinn macht und welches enorme Potential sich dahinter verbirgt und was Daten mit unserem Bauchgefühl zu tun haben, das erfahrt Ihr im folgenden Text, anhand meiner persönlichen Aufzeichnungen der letzten 20 Jahre.

Vor genau zwanzig Jahren habe ich mit Triathlon angefangen, nach 10 Jahren Gleitschirm fliegen und einigen Jahren Marathon laufen brauchte ich eine Steigerung. Schon damals hatte ich im Gefühl, dass bei dieser Sportart ein Trainingstagebuch sinnvoll sein kann. Denn Triathlon besteht aus drei Disziplinen plus Kraft und Dehnen um überhaupt diesen Sport langfristig betreiben zu können, also sind es eigentlich fünf Disziplinen. Ich hatte von Anfang an das Ziel, bei dem Training den Überblick nicht verlieren und mögliche Stellschrauben zu erkennen, um besser zu werden und mich nicht zu überfordern. Spoiler: Hat natürlich ganz oft nicht geklappt, denn wenn es richtig rockt, geht man meist drüber und übertreibt – das machts aber auch irgendwie aus.

Da ich vom Ursprung Ingenieur bin, passe ich für viele Menschen wunderbar in die Schublade: „Zahlenmensch mit Leidenschaft für Excel“. Jedoch so einfach mache ich es Euch nicht, denn ich möchte Euch heute mit diesem Artikel von mir zeigen:

Warum Daten einerseits so wertvoll und andererseits nicht die letzte Entscheidungsmacht sein sollten.

Dazu hole ich etwas aus meiner Vergangenheit aus.

Damals habe ich fast alles in Excel getrackt, angefangen 1998 mit meinen Job als Entwickler bei Bosch. Jeden Tag habe ich in Excel eingetragen, an welchem Projekt ich wie lange und mit wem gearbeitet habe, welche Schwierigkeiten zu lösen waren, wie sich mein Gehalt entwickelt hat, Argumente und Fakten für ne Gehaltserhöhung gesammelt, meine Jahresgehaltsentwicklung getrackt und so weiter. Es wurde schnell eine sehr umfangreiche Excel Tabelle, die ständig wuchs und weiter wächst, nun bereits seit 25 Jahren.

Ich arbeite immer noch damit und kann heute gewinnbringende Informationen herausziehen, die ich damals gar nicht auf dem Schirm hatte. Einfach aus der Tatsache, dass ich über viele Jahre Daten gesammelt hatte, aus denen ich heute Informationen gewinnen kann. Das kommt daher, weil ich meine Fragen heute anders an meine Exceltabelle formuliere, erhalte ich auch andere und neue Informationen.

Zurück zum Trainingstagebuch. Mit meinem Wechsel in den Triathlon Sport habe ich dann begonnen, ein Trainingstagebuch digital zu führen. Mir war damals schon klar, dass es ein möglichst neutrales Format sein soll, mit der Möglichkeit, diese Daten bei Bedarf auch in andere Programmen einzulesen. Ich wollte unbedingt vermeiden, mich an eine Trainings Software zu binden, die dann im schlimmsten Fall irgendwann eingestellt wird und meine Daten damit unbrauchbar werden. Das war im Januar 2004.

Seitdem habe ich jeden der 7.305 Tage mit meinen Trainings Daten zu Schwimmen, Laufen, Radfahren, Athletik, Kraft und sonstige sportlichen Aktivitäten inklusive Trainingszeit, Details zum Training, Umgebung, Land und Befinden dokumentiert. Sogar Verletzungen und Krankheiten habe ich mit aufgenommen. Ich arbeite mit Farben, das macht es übersichtlicher. Ebenso habe ich meine Laufschuhe Kilometer ver-formelt, denn zu Beginn bin ich einen Laufschuh auch schon mal über 2.000 Kilometer gelaufen, bis mir einmal im Rennen ein Stück der Sohle abgebrochen ist. Seitdem tausche ich die Schuhe früher aus. Die Laufleistung abschätzen fand ich schwierig, so hilft mir Excel auch dabei und erinnert mich dann daran, den Schuh auszusondern. Das war ein erster richtiger Benefit und das, obwohl die Laufleistung der Schuhe eigentlich ein Zahlenabfallprodukt sind.

Faszinierend finde ich, dass ich mit 60 Paar Schuhen über 44.000 Kilometer innerhalb von 17 Jahren gerannt bin.

Am Anfang war diese Excel-Tabelle noch sehr einfach gestrickt und über die Jahre und bei Bedarf, habe ich diese dann verfeinert, so dass ich immer mehr Nutzen daraus ziehen konnte. Ich arbeite da nach dem Mini-Max Prinzip, also nur das, was ich wirklich brauche, wird gemacht. Benötige ich mehr, entwickle ich weiter. Irgendwann kam die jährliche Zusammenfassung und der Vergleich zu Vorjahren hinzu, dann der durchschnittliche Kalorienverbrauch, den ich dann irgendwann wieder abgestellt hatte. So habe ich diese Tabelle innerhalb der letzten zwanzig Jahre immer weiter an meine Bedürfnisse angepasst. Es ist ein „Living Document“ geworden – es wird niemals fertig und verändert sich mit meinen Ansprüchen.

Über die Jahre hatte ich auch verschiedene Trainer und jeder wollte, dass ich meine Daten in dessen individuelles Programm eintrage, zwecks Trainingssteuerung. Während diesen Zeiten habe ich dann immer doppelt eingetragen, um meine Daten weiter zu pflegen.

Wer von Euch kann mir schon sagen, welche Kilometerleistung seine Schuhe haben oder wie oft die Kette oder die Bremsbeläge vom Rennrad ausgetauscht werden musste. Das sind in diesem Fall Daten, die als Nebenprodukt entstehen, wer weiß, wozu ich die mal benötige!?

Ebenso konnte ich gute Rennen oder manch eine Saison aufgrund meiner Aufzeichnungen wiederholen, weil ich Routinen und wirkungsvolle Abläufe für mich erkennen konnte. Ich weiß, wann welches Training bei mir anschlägt und welches eben nicht. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, dass sich mein Körper und damit die mögliche Belastung im Laufe der Jahre auch verändern. Mit Hilfe meiner Daten kann ich das zum Teil erkennen und somit die richtigen Schlüsse ziehen.

Meinen Trainern war ich immer dankbar für neue Impulse und Methoden, die größten Erfolge für mich hatte ich aber ausnahmelos immer dann, wenn ich mich selbst gesteuert habe.

Viele Jahre konnte ich das nicht erklären, heute kenne ich ein Wort dafür, dazu aber später mehr.

Ich finde es sehr beeindruckend, anhand der Daten zu erkennen, wie mein Körper sich in diesem Zeitraum auf verschiedene Belastungen adaptiert hat. Wie viele Wochen ich zum Beispiel brauche, um aus einer Trainingspause heraus wieder auf mein Ausgangsniveau zu gelangen, oder wie und was mein Körper brauchte, damit ich einen Ironman in einer besseren Zeit, z.B. 9:26 Stunden machen konnte oder auch wie viele Wochenkilometer in einer Marathonvorbereitung für mich sinnvoll sind und wann es für mich zu viel ist. Und glaubt mir, ich habe verrückte und sicherlich nicht schlaue Trainings absolviert, um zu probieren und zu testen.

Da erinnere ich mich an ein vier Wochen Projekt im Winter 2010, in denen ich meine Kilometerleistung pro Woche bis auf 225 Kilometer in der letzten Woche gesteigert hatte, inkl. einem 10 KM Wettkampf und die letzten 2 Wochen dann jeden Tag zwei Mal gelaufen bin, bei Schnee und Eis. Dabei galt: jeder dritter Lauf schnell, also praktisch jeden Tag. Ich wollte für mich testen, wo meine Grenze ist und ob ich mit mehr Laufkilometern dann nach einer Regenerationspause schneller sein würde.

Die kleinen und großen Veränderungen über einen langen Zeitraum sind für uns Athleten ohne den Blick auf das Ganze kaum zu erkennen und schwer nachzuvollziehen.

Zudem erwische ich mich immer wieder dabei, dass mir frühere Einheiten in meiner Erinnerung schneller und härter vorkommen. Das relativiert sich spätestens dann, wenn ich mal in den Excel Zeitraum springe und sehe, wie es tatsächlich war.

Zusammenfassend haben meine Daten dafür gesorgt, dass ich weitestgehend verletzungsfrei war. Das hat mich zu neuen Bestzeiten gebracht und für Stabilität gesorgt. Ich konnte effizienter trainieren und das Material frühzeitig austauschen, bevor es zu Problemen kam. Die meisten eigenen Fehler hatte ich meinem Drang zu verdanken, unbedingt doch über meine Grenzen zu gehen und meine eigenen Erfahrungen zu machen.

Weiterhin kann ich an meinem Training, dem Umfang sowie den Resultaten gut erkennen, in welchen klimatischen Bedingungen ich am besten Leistung bringen kann, für mich gilt das z.B. in warmen aber nicht feucht/heißen Ländern. Letzteres habe ich dann auch in meinem Beruf so umsetzen können, denn die Parallelen zwischen Arbeit und Leistungssport im Bereich der Leistungsfähigkeit und unserem gesamten emotionalen Profil, verhalten sich identisch.

Mittlerweile haben wir alle, eine erhebliche Datenflut angesammelt. Mal ehrlich, wer von Euch trainiert mit einem Leistungsmesser am Fahrrad oder einer Puls Uhr beim Laufen oder Fitnesstraining? Und was macht Ihr mit diesen Daten, nutzt ihr diese, um daraus Schlüsse zu ziehen, um beispielsweise zu erkennen, dass es heute zu hart war oder nicht effizient genug? Oder verstauben diese Daten auf den Server der Betreiber von Garmin, Strava, Suunto oder Polar?

Neben Daten haben wir aber ein noch größeren Schatz, den manche von uns instinktiv einsetzen und die wenigsten erklären können.

Und jetzt kommt das angeteaserte Wort von vorhin, was ich vor etwa zehn Jahren für mich erkannt habe und dazu führte, dass ich meine letzte Entscheidungsinstanz zunehmend aus dem Bauch heraus treffe und eben nicht mehr nur nach Datenlage – es ist meine Intuition!

Fragst Du Menschen aus Deiner Umgebung zum Bauchgefühl, kann Dir kaum Jemand erklären, was das ist oder ob das faktenbasierend ist.

Intuition ist eine unserer wirkungsvollsten Werkzeuge, die wir Menschen besitzen und die uns maßgeblich von Computern und Maschinen unterscheiden.

Es handelt sich um die Kombination aus uns vorliegenden Daten, den daraus gezogenen Informationen, unseren individuellen Erfahrungen und unserem Wissen. Diese Kombination versetzt uns in die Lage, Entscheidungen intuitiv also umgangssprachlich aus dem Bauch heraus zu treffen.

Das ist aber nur möglich, weil wir im Vorfeld Daten haben, diese analysiert und daraus Schlüsse gefasst und das ganze Paket in den passenden Kontext mit unseren Erfahrungen gebracht haben.

Das ist der Grund, warum wir bei Nutzung und Wissen um unsere Daten, zunehmend besser werden, in dem was wir tun. Nämlich, weil uns immer mehr Erfahrungen vorliegen und wir ein „Gefühl“ entwickeln, von dem, was sinnvoll und nützliches ist. Deshalb muss z.B. in einer Konstruktionsabteilung der Konstrukteur auch nicht jedes Bauteil berechnen, sondern kann es irgendwann sehr genau abschätzen, das spart Zeit. Deshalb muss der Profisportler nicht zwangsläufig eine Sport Uhr tragen, um sein Tempo und Herzfrequenz zu bestimmen, sondern hat ein Gefühl entwickelt.

Dass hat sich im Laufe der Zeit aus Daten, deren Analyse, den daraus gewonnenen Informationen, plus Wissen und unseren gemachten Erfahrungen verlässlich gebildet.

Wie beim Training und allem sonstigen, was wir erlernen können, wird auch unsere Intuition bei intensiver Nutzung immer besser.

Und das Beste daran für mich ist, ich kann viel flexibler trainieren und persönliche und berufliche Belastungen mit berücksichtigen, weil ich ein Gefühl entwickelt und geschult habe, auf das ich mich verlassen kann.

Trotzdem, einen Plan zu haben ist hilfreich, oftmals ein Muss, um seine Ziele zu erreichen. Allerdings krampfhaft an dem Plan festhalten ist nicht schlau. Die Mischung machts, ein Plan plus die eigene Intuition erachte ich derzeit als die beste Mischung.

Schreibt mir gerne in die Kommentare Eure Erfahrungen dazu oder per PN.

Und, wer von Euch führt ein Trainingstagebuch?  Und wer von Euch trifft die Entscheidungen nach Fakten und berücksichtigt auch die eigene Intuition?

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